PC-Spiele nicht verteufeln

Interview: Spielsucht-Experte Frank Gauls über kritischen Medienkonsum

Frühzeitig mit dem Phänomen Computer auseinandersetzten: Eltern und Pädagogen müssen nach den Worten von Frank Gauls eine Ahnung davon haben, was ihre Kinder am PC machen und ob dessen Nutzung schon über das normale Maß hinaus geht. FOTO: SIBYLLE KEMNA

Brackwede. "Sucht 2.0? Das Internet und neue Onlinemedien. Auffälliger Internet- und Medienkonsum" lautete der Titel eines Themenabends im Rudolf-Rempel-Berufskolleg an der Rosenhöhe. Er richtete sich insbesondere an Eltern, Lehrkräfte, Schulsozialarbeiter und Schüler. Unsere Mitarbeiterin Sibylle Kemna sprach mit dem Referenten und Spielsucht-Experten Frank Gauls.

Viele Eltern sind besorgt, weil ihre Kinder stunden- oder tagelang am Computer sitzen. Was sagen Sie denen?

Frank Gauls: Erst mal möchte ich betonen, dass digitale Medien zum Leben der Jugendlichen dazu gehören. Man muss den normalen Umgang abgrenzen vom problematischen und pathologischen Verhalten. Die exzessive Mediennutzung wird bestimmt vom Gaming, das betrifft in erster Linie Jungen, oder vom sinnlosen, exzessiven Chatten und Surfen, das machen vor allem Mädchen.

Wann ist die Mediennutzung problematisch?

Gauls: Die Jugendlichen sitzen sehr oft vorm PC und haben schon einen Rückzug begonnen vom realen Leben, haben weniger Lust, auszugehen, sich zu treffen. Aber sie gehen noch zur Schule und kommen dort halbwegs mit und haben noch Freunde.

Und wann ist sie pathologisch?

Gauls: Dann zocken die Jugendlichen nächte- und tagelang durch, das Schulversagen ist vorprogrammiert, Freundschaften sind unwichtig geworden. Das Netz gibt ihnen alles, bis auf das Essen. Schlafrhythmusstörungen und massive psychosoziale Folgeerscheinungen sind die Folge.

Wie können Sie da helfen?

Gauls: Wir wollen sie wieder ins Leben holen. Unsere Hilfe reicht vom Beratungsangebot, natürlich auch für die Eltern, über die Behandlung bis hin zum stationären Aufenthalt. Wir schauen als erstes, ob die Betroffenen bei uns richtig sind. Gerade die Jüngeren haben eher andere Schwierigkeiten, die im Hintergrund wirken. Die schicken wir zur Erziehungsberatungsstelle.

Was können die Eltern bei problematischer PC-Nutzung machen? Den Stecker rausziehen?

Gauls: Das löst sicher das Problem nicht. Auch hier muss die Familie mit in den Fokus genommen werden. Wenn den Betroffenen als Kind keine Grenzen gesetzt wurden, dann kann man ihnen nicht mit 16 plötzlich Vorschriften machen. Ich empfehle den Eltern, sich mit dem Phänomen auseinanderzusetzen, sich dafür zu interessieren, was die Kinder da machen oder spielen.

Das wissen die nicht?

Gauls: Nein, viele wissen das nicht. Sie sehen nur, dass ihr Kind ewig vor dem PC hockt. Viele Jugendliche kommunizieren aber mit ihren Freunden am PC, laden Filme und Musik herunter, das ist unbedenklich. Spiele machen da schon eher süchtig, weil sie kein Ende haben und man immer belohnt wird. Man darf das aber nicht verteufeln, es gibt viele positive und auch kreative Elemente beim Spielen und es geht auch vorbei, so eine Phase, das kennt man aus der Entwicklungspsychologie für das Jugendalter.

Wie kann man exzessiver Mediennutzung vorbeugen?

Gauls: Indem man seine Kinder an gesunde Mediennutzung heranführt und diese nicht mit zwölf Jahren schon einen eigenen Computer im Kinderzimmer haben. Und indem man im Gespräch bleibt mit seinem Sohn oder seiner Tochter und sich auch für deren Mediennutzung interessiert. Aber es ist eine gesellschaftliche Herausforderung, dass wir als Eltern und Pädagogen eine Ahnung davon haben sollten. Denn Spielsucht in dieser Form ist ein relativ neues Phänomen, es gibt kein tradiertes Wissen, die Entwicklung ist sehr schnelllebig.

 

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