Auf den Geschmack gekommen

Spezialist für Weintransport verzeichnet rasantes Wachstum

Spezialisten für den Transport von Weinen: (v. l.) Donato Cardinale und Tarik Kalelioglu haben die Spedition Neptun aufgebaut.

VON SEBASTIAN KAISER

Bielefeld. Tarik Kalelioglu ist Experte für Wein. Seine bisher teuerste Flasche? "Das war wohl ein Bordeaux, ein Petrus Pomerol, Jahrgang 2006, für 1.700 Euro." Gekostet hat er ihn nicht. Bei Wein geht es Kalelioglu ums Transportieren, nicht ums Trinken. Er denkt an Frachtraten, Zollbestimmungen, Liefertermine. Der 30-Jährige ist Geschäftsführer der Neptun Freight Services GmbH. Die Spedition ist auf Wein spezialisiert. 

Rund 50 Millionen Liter Wein hat die Firma vergangenes Jahr aus allen Weinanbaugebieten Europas importiert und an Großhändler, Fachgeschäfte, Einzelkunden und Online-Vermarkter ausgeliefert. Dabei besitzt Neptun keinen einzigen Lkw.

"Wir sind ein reiner Frachtvermittler", sagt Kalelioglu. Neptun arbeitet mit einem Netzwerk von rund 70 großen und kleinen Speditionsunternehmen zusammen. In den unscheinbaren Büros an der Kreuzstraße wird nur organisiert und disponiert, werden Kosten ausgehandelt und Lagerkapazitäten kalkuliert.

Wein ist eine empfindliche Ware, darf beim Transport weder zu warm noch zu kalt werden. "Wir arbeiten mit erfahrenen Fuhrunternehmen, die gut geschultes Personal haben müssen", sagt Neptun-Vertriebsleiter Donato Cardinale. "Und wir bestehen darauf, dass nichts zugeladen wird." Edler Wein und ölige Maschinenteile nebeneinander auf der Ladefläche - kommt nicht in Frage.

In Verona und Rosenheim sitzen Lagerbetriebe, die ausschließlich für die Bielefelder Firma arbeiten. Von dort aus werden die Weinlieferungen paletten- oder kartonweise verteilt, mit Lastwagen zu Großabnehmern oder mit Kleintransportern zu Händlern in Fußgängerzonen, zu Gastronomen und Hotels. "Außerdem haben wir einen Expresspaketversand aufgebaut, als Service für Online-Händler, die auch einzelne Flaschen verschicken", sagt Donato Cardinale.

Zum Geschäft gehört nicht nur die Organisation des Transports. "Beim Import von Weinen muss man spezielle Zollbestimmungen beachten, mit denen sich viele Kunden gar nicht befassen wollen. Zudem sorgen wir für Versicherungen. Wenn sich ein Kunde Wein für 1.700 Euro die Flasche kommen lässt, muss man Vorsorge treffen", so Tarik Kalelioglu (30). 

2009 hat er den Betrieb aus kleinsten Anfängen mit aufgebaut. "Am Anfang waren es nur ein paar Paletten Wein aus Italien", erzählt er. Doch der Markt sei da gewesen. Rund 17 Millionen Hektoliter Wein werden pro Jahr in Deutschland getrunken. "Wir sind rasant gewachsen", berichtet der studierte Betriebswirt. Mehrere Jahre hintereinander verzeichnete Neptun dreistellige Zuwachsraten. 2014 erwirtschafteten zehn Mitarbeiter ein Umsatz von drei Millionen Euro. Donato Cardinale (30) sieht weiteres Potential: "Wir möchten auch Wein aus Argentinien, Neuseeland oder Südafrika importieren. Schiffs- und Flugraten haben wir uns schon gesichert", sagt er. 

Bevor er zu Neptun kam - Kalelioglu und er kennen sich vom Rudolf-Rempel-Kolleg - war er Vertriebsleiter bei einem großen Unternehmen in München: "Der Wechsel zu einer kleinen Firma in Bielefeld hat sich gelohnt."

Neptun arbeitet mit Kunden und Partnern in vielen Ländern. Englisch sprechen alle Mitarbeiter, auch Spanisch, Portugiesisch, Italienisch, Französisch, Russisch und Polnisch beherrschen die Disponenten.

Keiner in dem jungen Team ist älter als 30 Jahre. Manchmal setzt sich die Belegschaft am Freitagnachmittag noch locker zusammen und macht eine Flasche guten Wein auf. Dann gönnt sich auch Biertrinker Tarik Kalelioglu ein Gläschen - nicht nur geschäftlich ist er auf den Geschmack gekommen.

01 - Bielefeld West, Donnerstag 12. März 2015