Stadtrundgang - auf den Spuren der „Bielefelder Deportationen"

Schülerinnen und Schüler des Wirtschaftsgymnasiums auf Spurensuche. „Bielefelder Deportationen" in den Jahren 1938-1945.

Mehr als 70 Jahre nach der Reichspogromnacht bekamen die Schüler/innen der Klasse HA 10 B - im Fach: Gesellschaftslehre mit Geschichte -  den Auftrag, nach den Spuren der Shoah (hebräisch: „Unheil“ oder „Katastrophe“) und speziell der Deportationen von jüdischen Menschen  in „ihrer“ Stadt zu suchen.  Die Ergebnisse dieses  Stadtrundgangs  hielten die Gymnasiasten/innen in einem Reader und auf Bildertafeln fest.

Der jüdischen Gemeinde in Bielefeld gehörten 1933 rund 1.300 Mitglieder an. Die Reichspogromnacht in der Nacht vom 9. Zum 10.  November 1938 stellte auch hier, wie fast überall im „Deutschen Reich“,  den entscheidenden Wendepunkt der Verfolgung jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger während der NS-Zeit dar.  Diese Geschehnisse waren das Zeichen für den Übergang von der Diskriminierung, Ausgrenzung und Ausplünderung  hin zu Verfolgung, Deportation und Vernichtung. - Der Bielefelder Hauptbahnhof und Güterbahnhof waren, zwischen 1938 und 1945,  für mehr als 1.800 Menschen, meist jüdischen Glaubens, Ausgangspunkt für die Fahrt in den Tod. Die Zielorte der Deportationszüge wurden von Gestapo, SS und Reichsbahn geheim gehalten und konnten erst viele Jahre später, teilweise durch aus dem Zug geworfene Postkarten und durch Zeitzeugenberichte  der wenigen Überlebenden, rekonstruiert werden:

                                   12.11. 1938  nach Buchenwald

                                   13.12. 1941  nach Riga

                                   31.03. 1942  nach Warschau

                                   10.07. 1942  nach Auschwitz

                                   31.07. 1942  nach Theresienstadt

                                   02.03. 1943  nach Auschwitz

                                   12.05. 1943  nach Theresienstadt

                                   28.06. 1943  nach Theresienstadt

                                   19.09. 1944  nach Elben und Zeitz

                                   13.02. 1945  nach Theresienstadt

 

An folgenden Stationen (Plätzen, Straßen oder Gebäuden) in „ihrer“ Stadt hielten die Mitgliederinnen und Mitglieder der einzelnen Arbeitsgruppen, mit Unterstützung ihrer Bildertafeln,  einen kurzen Vortrag. Die folgende Auflistung gibt einen Überblick über den Ablauf und die thematischen Schwerpunkte des Stadtrundgangs:

Am Bahnhof
- Ausgewählte Deportationen mit Ausgangsort Bielefeld: nach Riga am 13.12.1941,
  nach Auschwitz am 02.03.1943
- Mahnmal: „Jede Ermordete, jeder Ermordete hat einen Namen“. Ausgewählte
  Herkunftsorte, Namen und Todesalter, die in die Pultplatten des Mahnmals eingraviert wurden.

Kesselbrink
- Ablauf der Deportation in Bielefeld
- Sammellager im großen Saal der Gaststätte Kyffhäuser
- Transport der Deportierten mit Bussen des städtischen Betriebsamtes zum
   nicht weit entfernten Hauptbahnhof

Turnerstraße
- Am Morgen des 10. November 1938 war die Bielefelder Synagoge von Gestapo- und 
  SS-Männern in Brand gesteckt worden. Sie brannte bis auf die Grundmauern nieder.
- Inschrift des Gedenksteins an der Turnerstraße

Viktoriastraße 
- Am Morgen des 10. November 1938 erlebten Schülerinnen der Auguste-Viktoria-
  Schule (heute steht an dieser Stelle das neue Rathaus) mit einem Blick aus dem
  Fenster die Zerstörung der gegenüber dem Mädchen-Gymnasium liegenden Synagoge
  in der Turnerstraße. Nach diesem ‚Ereignis‘ wurden die zuletzt noch sieben jüdische
  Schülerinnen dieser Schule verwiesen.

Die Biografie von Lotte Windmüller (geboren am 7. Juli 1922, ermordet in der Nacht 
  vom 3. auf den 4. März 1943 in Auschwitz) zieht sich wie ein roter Faden durch 
  diesen Stadtrundgang. Sie war bis zur ihrem ‚Rauswurf‘ im Jahre 1938 Schülerin der  
  Auguste-Viktoria-Schule.

Detmolder Straße
- Stolperstein für Lotte Windmüller an der Detmolder Straße 76.
- Die Synagoge „Beit Tikwa“ ( „Haus der Hoffnung“) an der Detmolder Straße 107
  ist die Heimat der jüdischen Kultusgemeinde   Bielefeld.  Das jüdische Gotteshaus
  entstand durch den Umbau der ehemaligen evangelischen Paul-Gerhardt-Kirche im
 
Jahr 2008 und gilt damit als erste Synagoge in Deutschland, die aus dem Umbau
  einer evangelischen Kirche entstand.
- Rückblick auf den Wiederaufbau der Jüdischen Gemeinde in Bielefeld nach der
  Shoah.

Schloßhofstraße
- Die so genannte „Arbeitseinsatzstelle Schlosshof“ (auch „Jüdisches   Um-
  schulungslager“) bestand vom 23. März 1940 bis zum 28. - Juni 1943. In
  diesem Arbeitslager haben insgesamt mindestens 248 jüdische Insassen gelebt.
  Die letzten 80 Insassen – unter ihnen Lotte Windmüller – wurden am 2. März
  1943 vom Bielefelder Hauptbahnhof in das Konzentrationslager Auschwitz 
  deportiert.