Wenn die Schulden drückend werden

Rudolf-Rempel-Schüler beschäftigen sich im Projekt „Umgang mit Geld“ mit eigenen Kaufgewohnheiten

TeureVerlockungen: Sportwetten, iPhone, Smartphone & Co., Surfen im Internet und Shoppen in der digitalen Welt gehören zu den Haupt-Schuldenfallen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Auch das eigene erste Auto ist kostspielig und kann meist nicht ohne elterliche Unterstützung finanziert werden.

Lebensnotwendig oder Luxus: Jörg Steinert von der Schuldnerberatung-ABC diskutiert mit den Berufskolleg-Schülern darüber, wie leicht Menschen Schulden machen – und wie schwer es ist, sie wieder loszuwerden.

VON SILKE KRÖGER

Brackwede. Die Musiker von Crow bringen es auf den Punkt: „Baby, mach dir nie mehr Sorgen um Geld, gib mir nur Deine Hand, ich kaufe Dir morgen die Welt“. Das Lied steht am Anfang der Unterrichtsstunde, in der Jörg Steinert von der Schuldnerberatung-ABC zu Besuch in die Klasse BF 12a ins Rudolf-Rempel-Berufskolleg (RRB) gekommen ist. Und was er den 14 Schülerinnen und Schülern in der nächsten Stunde erzählt, klingt so ganz anders als das musikalische „Crow“-Wunschbild vom sorglosen Shoppen.

Wer über seine Verhältnisse konsumiert, gerät ganz schnell in eine Schuldenfalle, weiß der Schuldnerberater – rund acht Millionen Haushalte seien mittlerweile überschuldet, Tendenz steigend. Auf der anderen Seite sind Hilfsangebote wie eben Schuldnerberatungsstellen hoffnungslos überlaufen.

Anders als die 16- bis 19-jährigen Schüler geglaubt haben, beginnen die Probleme für die überschuldeten Menschen nicht erst, wenn der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht. „Ob Neckermann, Otto-Versand oder Targobank – bei vielen Unternehmen gibt es inzwischen extra Abteilungen, die nichts anderes machen, als die Schuldner unter Druck zu setzten.“ Die Folge sind psychische Störungen, der Verlust von Freunden, weil sich der Betroffene nicht mehr ans Telefon traut. „Im nächsten Schritt macht er seine Post nicht mehr auf und ist nicht mehr in der Lage zu arbeiten“, schildert Steinert die drastischen Konsequenzen für diejenigen, die ihre Einnahmen und Ausgaben nicht im Griff haben. „Danach kommt der Jobverlust, dann ist das Chaos perfekt.“

Auf rund 20.000 bis 25.000 Euro belaufen sich die Schulden im Durchschnitt, erzählt der Fachmann und setzt das durchschnittliche Einkommen dagegen: 1.650 Euro. Die meisten Schüler hatten das doch ein wenig höher angesetzt. Steinert zieht 500 Euro Miete ab („Das ist die Regel“) und, niedrig angesetzt, 200 Euro fürs Auto, dazu Strom, Wasser, Heizung. „Da können einem die Kosten schon wegrutschen, und das relativ schnell.“ Zumal auf der anderen Seite eine breite Palette von Möglichkeiten verlockt, Geld auszugeben.

Die Schüler etwa investieren gerne in Sportwetten, die Schülerinnen in Kosmetik und Mode, zudem kosten iPod, Internet oder das erste Auto. „Sie verdienen schon, sie arbeiten, aber sie wissen oft nicht, was das bedeutet“, sagt RRB-Lehrerin Kerstin Niehof, die sich deshalb mit den Schülern in einem sechswöchigen Projekt außerhalb des Lehrplans intensiv mit Grundlegendem rund ums Geld beschäftigt hat. Die Erfahrungen daraus zeigten einmal mehr, dass Jugendlichen und jungen Erwachsenen der verantwortungsbewusste Umgang mit Geld, Konsum und Krediten oft fremd sei: „Sie sind absolut ahnungslos. Viele gehen davon aus, wenn ich ein Girokonto kriege, dann kriege ich auch einen Kredit.“ Eigentlich, so die Lehrerin, die überwiegend im Bereich der Bankkaufleute und Kaufleute für Versicherungen und Finanzen unterrichtet, müsse das private finanzielle Wirtschaften ein Unterrichtsfach sein. „Wir hier sind eigentlich schon zu spät.“

Zu spät ist es meist auch für viele Schuldner, die es mit ihrem niedrigen Verdienst nur selten schaffen, ihre Schulden aus eigener Kraft wieder loszuwerden. Und der Ausweg „Privatinsolvenz“ ist hart: Er bedeutet sechs Jahre ohne Kreditkarte, ohne weitere Schulden. „Und ein Amtsrichter entscheidet, ob es überhaupt machbar ist“, sagt Steinert. Der Schuldnerberater empfiehlt den Schülern ein Haushaltsbuch: „Dann weiß man, was man verdient und kann sehen, was man ausgibt.“ Eine Idee, die bei den Schülern – zumindest theoretisch – auf positive Resonanz stößt. Im Anschluss wird das Projekt in der Parallelklasse durchgeführt.

 

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