Sich erinnern - ein Besuch im KZ Bergen-Belsen

Für die Demokratie.

Das Demokratieteam hat gerufen, und die Schüler haben geantwortet. Am Donnerstag, den 03.07.2025 machten sich 29 Schüler des Rudolf-Rempel-Berufskollegs auf den Weg zur Gedenkstätte Bergen-Belsen bei Celle, einschließlich mir und dem Busfahrer.

Vor Ort erwartete uns sowohl eine Führung über das Gelände des alten KZs als auch eine 45-Minütige Besichtigung des örtlichen Museums, dem sogenannten Dokumentarium. 
Was. Für. Ein. Ort. Bei der Besichtigung kam mir immer wieder eine Frage, und sie plagt mich noch immer: Sollte man diesem Ort Respekt zollen? Sollte man das, was diese Orte heute verkörpern und symbolisieren, respektieren? Oder sollte man diese Orte hassen und verurteilen, für die Schrecken, die hier passiert sind? So, wie wir den NS verurteilen, und wie er es verdient? Vielleicht sollten nur die Opfer unseren Respekt spüren. Die Menschen, die in diesen Lagern so viel Leid und Schrecken erfuhren, und all die Menschen, die dort starben. Ihre letzte Ruhe soll eine friedliche sein. Eine letzte Ruhe, bei welcher solche Lager nicht mehr existieren.

Bergen-Belsen war kein Vernichtungslager wie Auschwitz oder Buchenwald, und trotzdem starb fast jeder zweite, der diesen Ort von Innen zu Gesicht bekam. Von rund 120.000 Menschen, die als Häftlinge hier untergebracht wurden, starben mindestens 52.000. Im Jahr 1945 starben hier bis zur Befreiung am 15. April mindestens 35.000 Menschen, und allein im März zählte man 18.168 Tote. Darunter auch Anne Frank und ihre Schwester Margot Frank. 

Natürlich könnte ich jetzt weiter die Zahlen und Fakten runterrattern, dass das Lager von 1943 bis 1945 existierte oder dass es ursprünglich als Arbeiterlager für die neue, örtliche Kaserne (die Niedersachsen-Kaserne) dienen sollte, bevor es in das tatsächliche Konzentrationslager umgewandelt wurde, welches wir heute kennen, oder auch, was für furchtbare Schandtaten an diesem Ort eigentlich vollbracht wurden. Auch, dass die Zivilisten, die nach dem Krieg vehement leugneten, je von diesen Missetaten gewusst zu haben, selbst vielleicht sogar Freude an dem fanden, was die SS verrichtete. Ja, wirklich, es gibt Postkarten, auf denen Leute von ihren Tagesausflügen an die Zäune des Lagers berichteten oder auch Fotoalben, in denen von Tagesausflügen an das KZ, nicht nur in Text, sondern auch in Bild, berichtet wurde. 
„Jetzt bekommen sie, was sie verdienen“, schrieb eine Dame in ihrer Post. Dieser Satz blieb bei mir hängen. Verdient? Womit?
Dieser Ort ist furchtbar, das ist sein Grundsatz. 1945 wurde das Lager restlos zerstört, es wurde verbrannt, um Epidemien zu verhindern, denn das Massensterben und die horrenden Lebens- und Hygienestandards an diesem Ort sorgten für Krankheitswellen jenseits von Gut und Böse. Heute bestehen von dem eigentlichen Lager nur noch Bilder, Texte und Umrisse. Von den ehemaligen Gefangenenbarracken stehen teils nur noch Fundamente oder Grundsteine. Das, was bleibt, sind Gedenksteine und etliche Massengräber. „Hier ruhen 1000 Tote“, lautet deren Aufschrift. 
Kaum einer dieser Toten kann noch bestimmt oder bei Namen genannt werden. Hier und da stehen Gedenksteine mit Inschriften, Geburts- und Todestagen, hoffnungsvollen Sprüchen und so weiter. Sie wurden von Familien aufgestellt. Von Kindern. Von Eltern. Von Geschwistern. Vielleicht sogar von Freunden. Von Menschen, die ihre Geliebten vermissten, und die sich irgendwie an sie erinnern wollten. 


Was brachte das alles? Die Auslöschung des „Jüdischen Volkes“? Oder die Auferstehung einer „besseren“ Art von Mensch? Beides furchtbare Hirngespinste. Menschen bessern sich nicht durch Hass. Was wir brauchen, besonders in den Zeiten, die wir gerade erleben, ist Frieden und Zusammenhalt. Wir alle sind Menschen, und wir alle leben auf diesem Planeten. Wir können uns nicht durch Ungleichheit, durch Schuldumverteilung und mit einem Sündenbock von unseren eigenen Problemen befreien. Nein, dadurch werden sie nur schlimmer.
Die NSDAP hat uns gezeigt, wie schnell eine junge Demokratie fallen kann. Amerika zeigt uns gerade, wie schnell eine alte Demokratie fallen kann. Wenn wir uns in Europa nicht bald zusammenreißen, dann wiederholt sich die Geschichte vielleicht nur, und vielleicht ist sie dieses Mal sogar schlimmer als noch vor 80 Jahren. Die Parallelen sind jedenfalls erschreckend. Und bevor noch jemand sagt, dass er oder sie keine Wahl haben oder gar hatten: Ihr habt immer eine Wahl. Jeder hat diese Wahl, und jeder hat sie zu treffen. Wer sich gar nicht entscheidet, entscheidet sich automatisch für das größte aller Übel.
Man sollte auch immer daran denken: es waren nicht nur die Juden oder Homosexuelle oder Behinderte. Nein, es waren Leute wie Du und Ich. Zivilisten, die eine unterschiedliche Meinung haben. 
Menschen, die sich Tag für Tag auf der Straße grüßten, die zusammen im Matheunterricht saßen oder für die Abschlussprüfung büffelten, bis sie es eines Tages nicht mehr taten, weil sie es nicht mehr durften. 
In Bergen-Belsen lautete die letzte Frage unserer 3,5-stündigen Führung an uns: „Was für ein Mensch willst du sein?“
Denkt daran, wenn ihr das nächste Mal eine Entscheidung trefft.
Wie soll man sich an dich erinnern?
#niewieder

Text und Bilder von Bastian Spoida, Schüler LL24B