Fünf für den Bundestag

Schüler befragen Britta Haßelmann, Guntram Schneider, Frank Schwarzer, Lena Strothmann und Hans-Achim von Stockhausen VON ARNO LEY

Bielefeld-Brackwede. Oft sind es die unbedachten Worte am Rande, die für Stimmung im Saal sorgen. So geschehen gestern bei der Podiumsdiskussion von fünf Bielefelder Direktkandidaten für den Bundestag im Rudolf-Rempel-Berufskolleg. Der Sozialdemokrat Guntram Schneider hatte in der Debatte um Mindestlöhne erklärt, eine Friseurin in Thüringen könne von ihren 3,18 Euro Stundenlohn nicht leben. „Friseure bekommen außerdem Trinkgeld,“ entgegnete die Christdemokratin Lena Strothmann. Die Schüler reagierten mit Kopfschütteln und Hohngelächter.

Sie waren sachkundig, vielleicht in manchen Detail sogar sachkundiger als die Kandidaten vorne auf dem Podium. Einige Schüler des Rudolf-Rempel-Berufskollegs wollen Versicherungskaufleute werden oder sie sind Auszubildende bei der Agentur für Arbeit. Lena Strothmann (CDU), Hans-Achim von Stockhausen (FDP), Britta Haßelmann (Grüne), Frank Schwarzer (Linke) und Guntram Schneider (SPD) waren zu Gast in der „Kaufmännischen Schule der Stadt Bielefeld“. Die Schüler waren auf den Besuch vorbereitet. Sie hatten sich viele Fragen notiert. Kaum mehr als ein halbes Dutzend konnte besprochen werden in den anderthalb Stunden, auf die die Veranstaltung befristet war.

Förmlich war die Begrüßung durch die stellvertretende Schulleiterin Christiane Wauschkuhn, einstudiert die von Gesprächsleiter Josef Osterholz. Die Schüler zeigten weniger Abstand zu den Politikern. „Hallo erst mal“, begann der erste seine Frage und löste mit dem Stichwort „Mindestlohn“ die eingangs erwähnte Debatte aus. Schneider und Haßelmann sind dafür, Strothmann und von Stockhausen lehnen ihn ab. Die Forderung „10 Euro pro Stunden“ von Schwarzer, dämpfte Schneider mit der Bemerkung: „Man kann mit politischen Entscheidungen die Gesetze der Ökonomie nicht außer Kraft setzen. Daran sind schon ganze Gesellschaftsordnungen gescheitert.“ Seitenhieb auf eine Geschichte der Linken, auf die DDR-Staatspartei SED.

Dass von Stockhausen die Agentur für Arbeit für „überdimensioniert und ineffizient“ hält, kommt bei anderen Wählergruppen gut an. Hier saßen Auszubildende der Agentur, von denen einer seinem Nachbarn zuflüsterte, dass die Probleme von den Politikern mit ihren „überkomplizierten Gesetzen doch selbst verschuldet“ seien. Schweigend wurde der Botschaft des Liberalen zugehört: Privat geht vor Staat. Schneider auf Gegenkurs: „Nur die Reichen können sich einen armen und schwachen Staat leisten.“

Eine Handelsschülerin wollte wissen, wie die von CDU und FDP propagierten Ziele zusammen passen, sowohl die Schulden abbauen zu wollen wie auch die Steuern zu senken. „Wir werden das sehr maßvoll machen“, erklärte Strothmann. Von einer „Steuerstrukturreform“ sprach von Stockhausen und davon, dass die Schattenwirtschaft stärker bekämpft werden müsse. „Das sind alles leer Versprechungen“, sagte Haßelmann.

Auf die Kritik der Schüler am bisherigen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherungssystem, von angehenden Versicherungskaufleuten vorgetragen, kamen die Standard-Antworten. Von Stockhausen fordert mehr private Vorsorge, Schneider und Haßelmann eine Bürgerversicherung mit staatlicher Garantie. Viele Menschen in den USA haben ihre privat angelegte Vorsorge durch die Wirtschaftskrise verloren, warnte Schneider.

Während vor allem Schneider um jede Wählerstimme kämpfen muss, er kann nur über das Direktmandat in den Bundestag kommen, während Strothmann und Haßelmann dem nächsten Bundestag über sichere Listenplätze angehören werden, sind Schwarzer und von Stockhausen chancenlos. Sie sind Kandidaten als Gesichter ihrer Parteien bei solchen Diskussionen.

Der Liberale zeigte dabei die größte Zuversicht. Die FDP sieht sich bereits in der nächsten Regierung. Auf die Frage des Moderators, mit wem aus der Gruppe er gerne einen Waldspaziergang machen würde, nannte von Stockhausen Lena Strothmann: „Dann können wir schon mal die Koalitionsvereinbarung vorbereiten.“

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