31. EfVET Konferenz 2022 in Kuopio, Finnland vom 26. bis 29. Oktober 2022

Konferenz zu revolutionären Fähigkeiten in der beruflichen Bildung in Europa

StD´Astrid Brose und StD´Marita Haase

Jere Ruotsalainen, CEO, Partner Fantasia Works

Unternehmensbesichtigung Lignell & Piispanen, Kuopio

Unternehmensbesichtigung Lignell & Piispanen, Kuopio

Die diesjährige EfVET Konferenz (European Forum of Technical and Vocational Education and Training, ein internationaler Verband von berufsbildenden Einrichtungen mit Sitz in Brüssel) stand unter dem Thema „Zukünftige revolutionäre Fähigkeiten in der beruflichen Bildung in Europa“.

Am 26. Oktober bestand die Möglichkeit, unterschiedliche Unternehmen der Region Kuopio sowie zwei Berufskollegs zu besichtigen. Das Unternehmen „Fantasia Works“ entwickelt und produziert Themen- und Spielwelten sowie Themenparks, Indoor- und Outdoorspielplätze, wie beispielsweise den Angry Birds Activity Park auf Gran Canaria oder die Spielecken auf dem Flughafen in Helsinki sowie Spielzeuge für die Legoland Parks. „Fantasia Works“ zeichnet sich daraus aus, dass der gesamte Prozess, beginnend mit der kreativen Ideenfindung, über die Modellentwicklung, die anschließende Produktion der Anlagen bis hin zur finalen Installation in den jeweiligen Destinationen, aus einer Hand erfolgt.

Das Savo Vocational College ist eines der größten Bildungszentren für höhere Sekundarschulbildung in Finnland, das auf insgesamt 10 Campusse in 4 Gemeinden verteilt ist. In Kuopio wurden neue Gebäude errichtet, die erst seit September nach und nach bezogen werden, die letzten Abteilungen ziehen im Dezember um. Auch aufgrund eines Attentats im Oktober 2019 war der Aspekt “Sicherheit” (z.B. Zugang zum Gebäude, Abschließbarkeit von Räumen, ...) Schwerpunkt bei der Planung, wobei auch Aspekte wie “gesunde Raumluft”, “psychische Gesundheit”, “Ernährung” als Teil von Sicherheit verstanden werden. So werden bei 3.500 Schüler:innen täglich 2.000 Essen ausgegeben (kostenlos für Schulpflichtige), morgens kann jede Schülerin/jeder Schüler kostenlos Porridge als Frühstück erhalten. Aber auch vandalismussichere Kickertische und andere Geräte erhöhen die Aufenthaltsqualität der Schüler:innen.

Im Anschluss an die offizielle Eröffnung der Konferenz führte die Podiumsdiskussion zum Thema „Die Revolution zukünftiger Fähigkeiten in der Berufsbildung – erfüllen wir sie bereits?“ mit Vertretern aus Großbritannien, Griechenland, Malta und Finnland am 27. Oktober 2022 zu der Erkenntnis, dass die berufliche Bildung in starker Konkurrenz zur universitären Ausbildung steht und hier ein Umdenken stattfinden muss und eine Aufwertung der Berufsbildung notwendig ist, so Dr. Mavromoustakos, Direktor und Gründer des Programmes Lebenslangen Lernens aus Zypern. Gelingen kann es, wenn transferierbare Fähigkeiten im Bereich der Kommunikation, der IT und des Managements in der Berufsausbildung vermittelt werden, die in diversen Berufsfeldern abrufbar sein sollen. Lebenslanges Lernen, Teamfähigkeit, die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung sind die aus Sicht Dawn Ward, Schulleiterin des Burton & South Derbyshire Colleges aus Großbritannien, notwendige Fähigkeiten, die stärker in die Berufsausbildung einfließen müssen. Die Unternehmensvertreter Michael Seifert (Vorstand der Seifert System Ltd. International, Malta) und Mika Kusimanen (stellvertretender Präsident der Suomen Yrittäjät, Finnland) wiesen auf die Lücke zwischen unternehmerischen Anforderungen und den vermittelten Kenntnissen in der Ausbildung hin und zeigten Möglichkeiten auf, diese Lücke zu schließen, etwa durch unternehmensinterne Trainingseinheiten und die stärkere Kooperation zwischen Unternehmen und Bildungsträgern.

Die anschließenden Workshops boten Gelegenheit, sich mit Themen zur Nachhaltigkeit, zum Tourismus, der Internationalisierung, der Digitalisierung, des Bildungsmanagements im Kontext der beruflichen Bildung auseinanderzusetzen.

Im Workshop „(3) Internationalisierung der beruflichen Bildung“, diskutierten die Teilnehmer:innen über die Ausrichtung künftiger Kooperationen und den Personenkreis. Die Frage stellt sich, ob Lehrer:innen oder Studenten:innen die erste Zielgruppe künftiger Internationalisierungsstrategien sein sollten. Diskutiert wurde, ob ein Top-Down-Prinzip, also zunächst Lehrer:innen oder ein Bottom-Up-Prinzip, also zunächst Lernende, internationale Kompetenzen erwerben sollten. Das niederländische Institut Nuffic entwickelte einen internationalen Kompetenzrahmen für Lehrer:innen, der dokumentiert, welche interkulturellen Kompetenzen durch die Internationalisierung erreicht werden sollten. Als Kooperationsformen sind Online-Kooperationen und gegenseitige Austausche denkbar, um z. B.  gemeinsame Kursinhalte zu entwickeln.

Im Workshop „(5) Selfie Based Institutional Digital Development Plan“ wurde das Tool „Selfie“ vorgestellt, das von der Europäischen Kommission entwickelt wurde, um berufsbildende Schulen und Bildungseinrichtungen darin zu unterstützen, zu erheben, wie digitale Technologien für das Unterrichten, Lernen und das Training eingesetzt werden. Die Erhebung erfolgt durch die Lehrer:innen, die Schüler:innen, die Schulleitungen und die Unternehmen und dient der kritischen Reflexion der gegebenenfalls unterschiedlichen Einschätzungen der Beteiligten und mündet in einem digitalen Entwicklungsplan, um an einer zielgerichteten Optimierung des Einsatzes digitaler Technologien im Bereich der beruflichen Bildung zu arbeiten.

In „(6) Educational Management Corner” wurde die Wichtigkeit der mentalen Gesundheit der Lehrkraft an sich, aber insbesondere der Managementebene betrachtet. Die verschiedenen Krisen der letzten drei Jahre (Covid, damit verbunden die immense Beschleunigung der Digitalisierung, der Krieg in der Ukraine, in Finnland: Systemwechsel in der upper secondary education auf individuelle study plans, Begleitung durch Studienberater, Anerkennung informeller Bildung, etc.) sind sehr kräftezehrend.

Eine junge Studentin berichtete unter der Überschrift „(4) Future of Education and Implications for Students in VET” über die Unsicherheit junger Menschen bei der Entscheidung für eine berufliche (Aus-)Bildung. Auch wurde über die Komplexität des Begriffs der Nachhaltigkeit diskutiert, der sich nicht auf „Recycling” beschränkt, sondern letztlich alle Aspekte des menschlichen Handelns einschließlich der Kommunikation zwischen den Menschen face to face umfasst.

Am 28.10.22 zeigten 25 Vertreter:innen unterschiedlicher Organisationen in Form von Roundtables ihre aktuellen Ansätze im Kontext beruflicher Bildung, Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Anschließend stellte der Keynote Speaker, Siamäk Naghian, Manager der GENELEC, einem weltweit führenden Soundsystemhersteller, heraus, welche beruflichen Fähigkeiten aus seiner Sicht zukünftig gefordert werden: Professionalität, kulturelle Kompetenz, kritisches Denken, Dialog- und Kooperationsfähigkeit und insbesondere Zivilisation und Humanität.

Daran schlossen sich sogenannte Marketplaces in zwei Runden an, bei denen die Gelegenheit bestand, internationale Kontakte zu knüpfen, gemeinsam an Projektideen zu arbeiten und neue Projektpartner zu finden: So haben wir bereits konkret eine erste Idee für mögliche Auslandsaufenthalte für die Zielgruppe der Ausbildungsvorbereitung/Prevocational education mit einer niederländischen und drei finnischen Berufsbildenden Schulen entwickelt, für die ein erstes Videomeeting für den 02.11.2022 verabredet wurde. Auch eine mögliche Zusammenarbeit mit dem TIETGEN College in Odense (Dänemark) im Bereich des Wirtschaftsgymnasiums wurde angestoßen.

Vor der Wahl des EfVET-Vorstands trafen sich die entsprechenden Teilnehmenden zu jeweils nationalen Meetings, um über deren Ziele im Kontext der EfVET-Organisation zu sprechen.

Am 29.10.22 schloss die Konferenz mit der kurzen Zusammenfassung aller Ergebnisse der Workshops sowie der finalen Rede des EfVET-Präsidenten Joachim James Calleja, der Verkündung des nächsten Konferenzortes und einer anschließenden Betriebsbesichtigung der Lignell & Piipanen, ein Spirituosenhersteller, der sich auf Gin und Liköre spezialisiert hat und europaweit exportiert.

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